Dichter, Denker… und Werbung. Wie passt das denn zusammen? Lyrik und Werbung stehen schon lange in Verbindung. Auch heute werden Reime oder Wortspiele gerne verwendet – es bleibt einfach so gut in Erinnerung. Und das nicht erst seit gestern…
Schon 1886 textete der Dichter Frank Wedekind für Maggi:
„Vater, mein Vater!/ Ich werde nicht Soldat,/ Dieweil man bei der Infantrie / Nicht Maggi-Suppen hat! // Söhnchen, mein Söhnchen! / Kommst du erst zu den Truppen, / So ißt man dort auch längst nur Maggi’s / Fleischconservensuppen.“
Der Dichter trat 1886 in den Dienst von Julius Maggi als er gerade einmal 22 Jahre alt war. Dass er in dem aufstrebendem Schweizer Unternehmen die Leitung des Reklame- und Pressebüros übernahm, war jedoch nicht sein Traumberuf, sondern geschah aus Geldnot, nachdem sein Vater ihm die Unterstützung entzog, da er sein Jurastudium vernachlässigt hatte. Beim Verfassen seiner Werbetexte beschrieb Wedekind nicht nur Missstände oder die deutsche Hausfrau, sondern lies sich auch von Goethe, Schiller oder Heine inspirieren. Mehr als 160 Werbetexte und Annoncen verfasste Wedekind für die Brühwürfel, kochfertige Suppe und Würze in der braunen Flasche. Bereits 1887 jedoch gab er die Stelle im Unternehmen auf und widmete sich der Lyrik und Prosa, wodurch unter anderem seine Dramen „Das Frühlinserwachen“ und „Lulu“ entstanden.
Werbetexte und Lyrik sind manchmal gar nicht so weit voneinander entfernt. Denn Lyrik ist längst nicht mehr nur Reim. Der Fokus liegt immer mehr auf dem Rhythmus und auf dem Gefühl, das damit ausgelöst wird. Werbung ist außerdem darauf angewiesen, schnell auf den Punkt zu kommen und den Menschen ein bestimmtes Gefühl zu vermitteln- das schafft Lyrik auch, denn gereimte Zeilen sind nicht lang und haben einen gewissen Rhytmus, der sitzen muss. Das muss ein Werbetexter können und ein Lyriker auch. Lyrik in der Werbung ist also naheliegend, auch wenn beispielsweise der „Haribo“-Slogan nicht gerade nach Poese schreit. Doch die Lyrik verändert sich immer mehr, Gedichte müssen sich nicht zwangsläufig reimen, wie man es heutzutage auch bei den sogenannten Poetry Slams sieht.
Gut gelungen ist die Verschmelzung von Lyrik und Werbung keinem anderen als dem Baufachmarkt Hornbach: Der wackelnde Tisch, Der alte Riss, Die knarrenden Treppen, Die verlorenen Wetten, Die fehlenden Mittel, die gewonnenen Titel, Die Bank, Der Bankrott, Der See, Das Klischee – Mach es zu deinem Projekt“ lautet das „Gedicht“ in dem Werbespot. Die Brauerei Puntigam wirbt mit einem fröhlichen, gereimten Lied. Auch das Automobil-Unternehmen Ford Neuseeland setzte mit seinem Werbespot „The road not taken“ auf lyrische Werbung mit einem Gedicht, das auf Robert Frost’s Gedicht „The road not taken“ von 1920 basiert. Die Süddeutsche Zeitung warb mit einem Gedicht von Martin Kiessling, dem Cheftexter der Wunderhaus GmbH Werbeagentur, im Kino.
In den GMX-Werbespots wird, als weiteres Beispiel, das alte Volkslied „Die Gedanken sind frei“ gesungen. Die Seat Exeo Werbung von 2009 beginnt mit den lyrisch vorgetragenen Worten „Brichst du auf gen Itaka..“, dem Gedicht von Konstantinos P. Kavafis, einer der wichtigsten Lyriker der neugriechischen Literatur. Die „warhscheinlich längste Praline der Welt“ wurde mit einem Gedicht über „Desiree vom Comer See“ beworden. Mit dem Werbespot „Die Herren des Feuers“ ist der Supermarktkette gelungen, die Werbetrommel auf epische und zugleich witzige Weise zu rühren. Der österreische Mobilfunkanbieter 3Österreich sprang ebenfalls auf den Reim-Zug im Werbespot von 2016 und den darauffolgenden Spots.
Ein schönes Beispiel, wie moderne Lyrik und Werbung sich ergänzen können, brachte SWISS Life mit ihren neuen Werbespot mit der Poetry-Slammerin Franziska Holzheimer. Der Poetry Slammer Lars Ruppel wirkte mit seinem Gedicht bei einem Imagefilm für Mittelhessen mit.