Neuro-Marketing ist ein relativ junges, interdisziplinäres Feld, welches die Bereiche Marketing und Neuroökonomie miteinander verbindet. Im Grunde beschreibt der Begriff einen neuroökonomischen Ansatz zur Bearbeitung und Lösung absatzwirtschaftlicher Fragestellungen. Im folgenden Artikel versuche ich für Sie diese doch sehr fachliche Definition aus zu deutschen und zu durchleuchten. Dies und was eigentlich zwei sehr bekannte koffeinhaltige Erfrischungsgetränke mit Neuro-Marketing zu tun haben, erkläre ich Ihnen ein paar Zeilen weiter unten.
Einstieg
Seit grob 20 Jahren taucht der Begriff des Neuro-Marketings in Fachbüchern aber auch im alltäglichen Leben auf, ohne dabei wirklich größere Aufmerksamkeit zu erhalten. Für viele Menschen, selbst für eingefleischte Marketer steht hinter diesem Begriff noch immer ein großes Fragezeichen. Dies ist, in Betracht der Definition im Einführungsblock, auch nicht verwunderlich.
Vereinfacht kann man Neuro-Marketing auf seine Grundintention herunterbrechen: die Beeinflussung des Kaufverhaltens und der Kaufentscheidungen der Kunden, mittels gezielter Hirnforschung. Der Marketing-Experte Dr. Hans-Georg Häusel beschreibt die Wissenschaft vereinfacht auch als Suche nach dem magischen „Kauf Button“[1]. (der aber bis heute noch nicht gefunden wurde;))
Erkenntnisse und Fakten
Ungefähr 70 % aller Einkäufe werden erst vor dem Regal entschieden, was den unbewussten und emotional geprägten Charakter unseres Kaufverhaltens deutlich unterstreicht.
Unsere Einkäufe kann man hierbei in Gewohnheits- und Spontankäufe unterteilen. Gewohnheitskäufe sind charakterisierbar durch das wiederholte Einkaufen bestimmter Produkte und dabei auch der Blick auf besondere Marken, mit denen der Käufer bereits Erfahrungen und zumeist positive Erlebnisse verbindet. Die Spontankäufe sind dabei, wie der Name schon sagt, eher ungeplant, sowie unbewusst und von Reizen getrieben. Die Käufer reagieren auf visuelle Eindrücke, wie ein großes SALE-Schild oder den Duft der Parfümerie-Abteilung, ohne dies explizit zu beabsichtigen.
Das Neuro-Marketing versucht diese Abläufe in unseren Gehirnen mit wissenschaftlichen Ansätzen zu analysieren und sich die Erkenntnisse zu Nutzen zu machen um die Kunden damit beeinflussen zu können. Ob dies nun ein manipulatives Unding oder ein genialer Streich und Schritt der Marketing-Branche ist, können Sie für sich selbst entscheiden.
Die koffeinhaltige Geburtsstunde des Neuro-Marketings
Wie im Einführungsblock bereits erwähnt, haben zwei namhafte Unternehmen der Getränkeindustrie ihren ganz besonderen Bezug zum Neuro-Marketing. Es handelt sich hierbei um Pepsi und Cola, die im Jahr 2003 eher ungewollt den Kickstarter, den Katalysator für das Neuro-Marketing spielten.
Ich beziehe mich hierbei auf den Teilweise-Blind-Test von McClure aus dem Jahr 2003, den Sie hier genauer nachlesen können. McClure`s Werkzeug der Wahl war hierbei die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT). Diese zeigt erhöhte Aktivitäten in den untersuchten Gebieten des Gehirns aufgrund der Messung eines erhöhten Blutflusses, der indirekt über die magnetischen Eigenschaften des Hämoglobins nachgewiesen werden kann. Präsentieren werde ich hier aber nur das für das Neuro-Marketing relevante Ergebnis der Studie:
Das Branding Pepsi hat keinen nachweisbaren Einfluss auf die Präferenz der Probanden, das Coke Branding jedoch schon: Die Marke Coca-Cola zeigte, im Gegensatz zu Pepsi, einen signifikanten Einfluss auf den Hippocampus (Bereich für Gedächtnis/Erinnerungen), als auch auf den dorsolateralen präfrontalen Kortex (Bereich für emotionale Bewertungen). Im Blindverkostungs-Test hatte keine der beiden Marken die Nase vorn, auch wenn die Probanden sich zu einer der beiden bekannten oder sie ausdrücklich präferierten. Starke Marken wie Coca-Cola wirken sozusagen auf die neuronale Aktivität im Gehirn, nicht aber auf das sensorische Erlebnis.
Aktuelles und Zukunftsaussicht
Der Neuro-Marketing Kongress 2018, der am 25.04.18 in der BMW Welt München stattfand, setzte sich Künstliche Intelligenz (KI) und Virtual Reality (VR) zum Hauptthema, und besprach die Chancen und Risiken der Techniken. Genaueres lesen Sie am besten hier nach.
Der Hype um fMRT hat dagegen nachgelassen und der Blick auf die Bildchen unseres Gehirns und deren Deutung gerät mehr und mehr in den Hintergrund.
Kritik
Verbraucherschützer üben ihrerseits Kritik am Neuro-Marketing, weil sie Angst davor haben, die Konsumenten einer Art Manipulation auszusetzen und diese somit beeinflussbar zu machen. Sie haben zudem Angst, zum gläsernen Käufer zu werden und sozusagen zu berechenbaren Kaufmaschinen.
Wissenschaftliche und Marketing-Experten wie Heiko Burrack kritisieren auf der anderen Seite nicht die Intention der Forschung, sondern viel mehr deren Ausführung, die in ihren Augen stark vereinfachte Darstellung, äußerst komplexer Vorgänge und Zusammenhänge im menschlichen Gehirn. Die Welt sei Burracks Ansicht nach, eben nicht nur schwarz und weiß, wie es der Tomograf darstellt, sondern eben auch bunt und somit viel komplizierter und schwieriger zu kategorisieren beziehungsweise zu bewerten.
Fazit
Neuro-Marketing scheint einerseits ein äußerst interessantes Themengebiet zu sein, welches auch bestimmt nicht von heute auf morgen von der Bildfläche verschwindet oder gänzlich irrelevant wird, jedoch wird es wohl niemals ohne Kritiker auskommen und auch nicht zum Allheilmittel lahmender Marketingstrategien mutieren. Es bleibt somit äußerst spannend, in welche Richtung sich dieses Schnittstellengebiet entwickeln wird!
Zusatz: Wie vorhin schon erwähnt, ist Dr. Hans-Georg Häusel einer der führenden Experten und der eigentliche Pionier des Neuro-Marketings in Deutschland. Er stellt dazu auf seiner Webseite einen Kurz-Test zur Verfügung, der Ihnen einen kleinen Einblick in Ihre Persönlichkeitsstruktur geben soll und Ausprägungen verschiedener Merkmale misst und auswertet. Den Test können Sie hier in wenigen Minuten durchführen.
[1] Was ist eigentlich Neuromarketing? (o.D.). Abgerufen 17. Dezember, 2018, von https://www.neuromarketing-wissen.de/artikel/was-ist-neuromarketing